Gedenkstätte Zwangsarbeit in Leipzig - ausführlicher Text

Mahnmal Abtnaundorf – Gedenkort an das Massaker von Abtnaundorf im Konzentrationslager „Leipzig-Thekla“ am 18. April 1945

Im September 1958 wurde an der Theklaer Straße in Leipzig-Abtnaundorf ein Obelisk eingeweiht. Er erinnert an eines der schrecklichsten Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Leipzig. Mehr als 80 Häftlinge wurden hier am 18. April 1945 in einer Baracke des Konzentrationslagers "Leipzig-Thekla" verbrannt oder auf ihrer Flucht über den Stacheldrahtzaun ermordet.

Der folgende Text bietet ausführliche Hintergrundinformationen über den historischen Ort des Konzentrationslagers und das Massaker von Abtnaundorf.

NS-Zwangsarbeit in Leipzig

Während des Zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 wurden mindestens 75.000 Menschen als Zwangsarbeiter:innen nach Leipzig verschleppt. Sie kamen aus allen Ländern, die die deutsche Wehrmacht besetzt hatte, vor allem aus Polen und der Sowjetunion. Unter ihnen waren Kriegsgefangene und so genannte zivile Zwangsarbeiter:innen – junge Menschen, die in den besetzten Gebieten unter falschen Versprechungen angeworben, zwangsrekrutiert oder deportiert und ins Deutsche Reich gebracht wurden.

Sie wurden in etwa 700 Sammelunterkünften im Leipziger Stadtgebiet untergebracht – in Turnhallen, Schulen, Gaststätten, Festsälen, Hotels, privaten Wohnungen oder in Barackenlagern.

Die Zwangsarbeiter:innen waren in allen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens eingesetzt: besonders in der Rüstungsindustrie, aber auch in kleineren Handwerksbetrieben, bei der Reichsbahn und der Post, in Krankenhäusern, in der Stadtverwaltung, oder als Haushaltshilfen in Privathaushalten. 1944 machten die ausländischen Zwangsarbeiter:innen etwa ein Viertel der Arbeitskräfte in der deutschen Wirtschaft aus. Ohne sie wäre das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben auch in Leipzig während des Krieges zusammengebrochen.

Die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter:innen waren sehr unterschiedlich und von vielen Faktoren abhängig. Ein wichtiges Kriterium war die Einordnung in die NS-Rassenideologie. Danach wurden Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter:innen aus der Sowjetunion (so genannte „Ostarbeiter“ und „Ostarbeiterinnen“) sowie KZ-Häftlinge, unter denen sich viele Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma befanden, am schlechtesten behandelt.

Ab 1943 wurden in Leipzig und der näheren Umgebung sechs Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald eingerichtet. Auch die KZ-Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit in Leipziger Rüstungsbetrieben eingesetzt.

NS-Zwangsarbeit im Leipziger Nordosten

In Leipzig befanden sich während des Zweiten Weltkrieges wichtige Standorte der deutschen Rüstungsindustrie, insbesondere der Luftrüstung. Durch die Nähe zum Flughafen Mockau und die gute Anbindung an das Eisenbahnnetz sowie an die 1936 fertig gestellte Reichsautobahn siedelten sich viele Betriebe im Nordosten der Stadt an.

Die Hugo Schneider Aktiengesellschaft (HASAG), der größte Rüstungsbetrieb Sachsens, befand sich seit 1898 in Leipzig-Schönefeld, auf dem Gelände des heutigen Wissenschaftsparks in der Permoserstraße. Die Firma produzierte vor allem Munition und Panzerfäuste und setzte dafür im Leipziger Werk mehr als 10.000 Zwangsarbeiter:innen ein. Weitere Informationen zur HASAG finden Sie hier.

Die Mitteldeutsche Motorenwerke GmbH (MMW) wurde 1935 als Tochtergesellschaft der Auto-Union AG Chemnitz gegründet. Die Fabrikanlagen befanden sich zwischen Leipzig-Portitz und Taucha in einem Waldgebiet. Der Betrieb stellte Flugzeugmotoren her und beschäftigte bis zu 4.000 ausländische zivile Zwangsarbeiter:innen, die in Taucha untergebracht waren.

Die Erla-Maschinenwerke GmbH war der größte Luftrüstungsbetrieb in Leipzig und seit 1934 im Leipziger Nordosten ansässig.

Die Produktion der großen Rüstungsbetriebe förderte auch eine Zuliefererbranche, die ebenfalls Tausende von Zwangsarbeiter:innen beschäftigte.

Die Erla-Maschinenwerke GmbH

Im Juli 1934 wurde die Erla-Maschinenwerke GmbH Leipzig im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums gegründet. Der Rüstungsbetrieb stellte für die Luftwaffe des Deutschen Reiches bis 1945 mehr als 11.000 Jagdflugzeuge des Typs Messerschmitt Bf 109 her. Damit war der Betrieb der zweitgrößte Hersteller dieses Flugzeugtyps im Deutschen Reich.

Die Erla-Werke hatten in Sachsen insgesamt 24 Produktionsstandorte, davon vier in Leipzig:
• Werk I: 1935-1937 errichtet, in Leipzig-Heiterblick (Wodanstraße 40, nördlich der LVB-Werkstätten)
• Werk II: 1937 errichtet, an der südöstlichen Flanke des Flughafen Leipzig-Mockau (Stralsunder Straße 81)
• Werk III: 1937 errichtet, an der Kreuzung Theklaer Straße/Heiterblickstraße
• Werk IV: 1940 errichtet, in der Leipziger Kammgarnspinnerei (Paffendorfer Straße 31, heute Standort des Gondwanaland des Leipziger Zoos)

1936 wurden die Erla-Werke verstaatlicht und durch die staatliche Luftfahrtkontor GmbH und die Sächsische Staatsbank übernommen. Mit der Aufhebung des Versailler Vertrages im Jahr 1935 forcierte die nationalsozialistische Regierung die Militarisierung Deutschlands und setzte auf die Entwicklung neuer Technik.

Von 1934 bis 1939 wuchs die Belegschaft in den Leipziger Werken von 111 auf 5.745 Beschäftigte.

Zwangsarbeit bei den Erla-Werken

Ab 1941 beschäftigten die Erla-Werke in Leipzig ausländische zivile Zwangsarbeiter:innen. Einige von ihnen waren im verbündeten Italien als Arbeitskräfte angeworben worden, die meisten wurden jedoch durch das Leipziger Arbeitsamt vermittelt. Bis Mitte 1941 arbeiteten in den Leipziger Erla-Werken mehr als 400 zivile Zwangsarbeiter:innen aus den besetzten Ländern Europas. Die Zwangsarbeiter:innen bekamen nicht die versprochenen Tariflöhne und konnten ihre Arbeitsverträge nicht kündigen. 1943 arbeiteten insgesamt ca. 16.000 Menschen unter Zwang für die Erla-Werke – 64% der gesamten Belegschaft.

Die Zwangsarbeiter:innen waren zum großen Teil in Barackenlagern untergebracht. Die Erla-Werke mieteten aber auch Turnhallen, Gaststätten und Tanzsäle an. Insgesamt unterhielten sie 20 Lager im Leipziger Stadtgebiet.

Die Unterkünfte für zivile Zwangsarbeiter:innen aus Westeuropa und verbündeten Staaten wie Italien wurden nicht bewacht. „Ostarbeiter:innen“ hingegen mussten grundsätzlich in umzäunten und bewachten Lagern leben, die sie nicht verlassen durften. Auch in anderen Bereichen spiegelte sich die rassistische Unterscheidung der Zwangsarbeiter:innen wider: Die „Ostarbeiter:innen“ hatten die schwersten Arbeitsbedingungen und erhielten die geringsten Löhne und Lebensmittelrationen. Am Arbeitsplatz unterlagen sie strenger Bewachung und wurden für kleinste Vergehen bestraft. Bei „Arbeitsbummelei“ drohte die Überstellung in ein Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslager.

Im August 1941 errichteten die Erla-Werke ein Barackenlager an der Theklaer Sandgrube, wo sich bis Ende 1938 der Sportplatz des jüdischen Sportvereins „Schild“ befunden hatte. 1943 lebten dort ungefähr 900 zivile Zwangsarbeiter:innen aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich und der Ukraine in 14 Baracken.

Im März 1943 wurde auf dem südlichen Teil des Lagers das erste Leipziger Konzentrationslager errichtet.

Das Konzentrationslager "Leipzig-Thekla"

Ab 1943 setzte die Erla-Maschinenwerke GmbH auch KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit ein. In Leipzig wurde ein Außenlager des KZ Buchenwald mit dem Namen „Leipzig-Thekla“ (Tarnname „Emil“) eingerichtet. Es umfasste drei Lagerstandorte für jeweils etwa 1.000 männliche KZ-Häftlinge. Die Organisation sowie die Versorgung und Bewachung der Häftlinge oblag der SS.

Zunächst wurde der südliche Teil des Zwangsarbeitslagers „An der Sandgrube“ für die Unterbringung der ersten KZ-Häftlinge genutzt, die im März 1943 ankamen. Sie wurden zum Lagerbau der geplanten Lagerstandorte am Werk I und Werk III eingesetzt. Im Dezember 1943 wurden die Gefangenen in das fertig gebaute KZ am Werk III verlegt.

Das neue Lager war durch ein Tor direkt mit dem Werk III verbunden. Dort waren etwa 900 KZ--Häftlinge in fünf Holzbaracken untergebracht. Gleichzeitig entstand angrenzend an das Werk I ein dritter Standort des KZ „Leipzig-Thekla“, ebenfalls für etwa 900-1.000 männliche KZ-Häftlinge.

Die meisten Häftlingstransporte kamen an den Bahnhöfen Leipzig-Thekla und Leipzig-Schönefeld an, die sich in unmittelbarer Nähe zu den Konzentrationslagern befanden.

1943 waren bei den Erla-Werken in Leipzig bereits mehr als 2.000 KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt. 1944 wurden weitere 1.800 Häftlinge aus dem Hauptlager Buchenwald in das Außenlager „Leipzig-Thekla“ überstellt. Unter ihnen waren Männer aus der Sowjetunion, Polen, Frankreich, Belgien und der Tschechoslowakei. Im März 1945 befanden sich knapp 1.500 KZ-Häftlinge in den Lagern.

Die KZ-Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit in der Flugzeugproduktion, sowie bei Bau- und Aufräumarbeiten außerhalb der Werksgelände eingesetzt. Im Werk III arbeiteten fast ausschließlich KZ-Häftlinge. Ihre Arbeit, die sie unter Aufsicht der deutschen Meister und Vorarbeiter auszuführen hatten, umfasste vor allem Tätigkeiten der Endmontage von Tragflächenteilen, Leiteinrichtungen und Fahrwerkaufhängungen. Sie mussten in Tages- und Nachtschichten je zwölf Stunden ohne Ruhetag arbeiten. Geringe Essensrationen und fehlendes Schuhwerk erschwerten die Lebensbedingungen zusätzlich. Schwer kranke und arbeitsunfähige Häftlinge wurden nach Buchenwald zurückgeschickt und durch neue Arbeitskräfte ersetzt. Mehr als 100 Menschen starben in den Lagern. Weitere kamen bei alliierten Bombardements gegen die Rüstungsbetriebe ums Leben.

Kriegsende und Todesmärsche

Mit der Auflösung vieler Konzentrationslager im besetzten Polen kamen im letzten Kriegsjahr weitere 1.000 KZ-Häftlinge in das Außenlager „Leipzig-Thekla“. Das Lager war überfüllt.

Am 17. Februar 1945 traf ein Transport mit etwa 600 Häftlingen aus dem Außenlager Gassen des KZ Groß-Rosen ein. Die erschöpften Häftlinge konnten nicht zur Arbeit eingesetzt werden, weshalb sie auch nicht versorgt wurden. "Wir suchten nach Speiseresten, und wenn wir Regenwürmer fanden, aßen wir sie auf", erinnerte sich der ehemalige Gefangene Piotr Pikulinski. In den folgenden Tagen starben 37 Menschen.

Zwischen dem 9. und 11. April 1945 kamen vorübergehend 300 jüdische Frauen aus dem Buchenwalder KZ-Außenlager Hessisch-Lichtenau nach „Leipzig-Thekla“. Dafür wurde eine Baracke separat umzäunt und vom Männerlager getrennt.

Alliierte Luftangriffe auf Leipzig trafen auch große Teile der Erla-Werke. Im Februar/März 1945 waren mit Ausnahme von Werk III die meisten Produktionseinrichtungen zerstört, es wurde kaum noch gearbeitet. Um ihre Verbrechen zu verwischen, bereiteten die Werksverwaltung und die SS die Auflösung der Lager vor.

Am 13. April 1945 wurden etwa 1.500 Häftlinge auf einen so genannten „Todesmarsch“ getrieben, zu dem Tausende Männer und Frauen anderer Leipziger Konzentrationslager stießen. Der etwa 500 Kilometer lange Fußmarsch quer durch Sachsen kostete viele Häftlinge das Leben, doch einigen gelang die Flucht. Von den Tausenden, die auf diesen Marsch gingen, erlebten nur etwa 300 Menschen die Befreiung durch die Rote Armee bei Teplice (Tschechoslowakei).

Das Massaker von Abtnaundorf

Nach dem letzten Appell am 17. April 1945 waren 304 kranke, nicht gehfähige und sterbende KZ-Häftlinge unter SS-Bewachung zurückgeblieben. Unter ihnen waren etwa 230 Häftlinge aus dem KZ-Außenlager Gassen, die erst im Februar nach Leipzig gekommen waren.

Am folgenden Tag, dem 18. April 1945, fand in „Leipzig-Thekla“ ein Verbrechen statt, das als „Massaker von Abtnaundorf“ international bekannt wurde. Zwölf SS-Männer sperrten die kranken Häftlinge in eine Baracke ein, übergossen diese mit Benzin und schossen sie mit Panzerfäusten und Maschinengewehren in Brand. Viele Häftlinge, die aus der brennenden Baracke fliehen konnten, wurden von den Tätern mit Maschinenpistolen getötet. Einigen Häftlingen gelang unter Ausnutzung des dichten Rauchs die Flucht zu den nahe gelegenen Lagern polnischer Zivilarbeiter:innen der Hugo Schneider AG (HASAG), die sie aufnahmen und verbargen. Andere wurden in der unmittelbaren Umgebung von der Zivilbevölkerung erschossen oder erschlagen.

Wie viele Menschen tatsächlich Opfer des Massakers geworden sind, konnte bis heute nicht festgestellt werden. Überlebt haben nachweislich 67 Personen. Die meisten Opfer bleiben bis heute vermisst. Die sterblichen Überreste von 84 Männern, von denen 18 identifiziert werden konnten, wurden am 27. April 1945 auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt (in der Mittelachse des Hauptweges vom Nordtor zum Feierhallen- und Krematoriumskomplex).

Eine wenige Stunden später eintreffende Untersuchungseinheit der US Army dokumentierte und filmte den Ort des Verbrechens. Diese Dokumente dienten als Beweismittel im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher und erlangten damit internationale Bekanntheit.

Am Massaker von Abtnaundorf waren nicht nur Mitglieder der SS beteiligt. Auch Angehörige der Leipziger Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und des Volkssturms Schönefeld gehörten zu den Tätern, ebenso wie etwa 35 Männer des Erla-Werkschutzes und Feuerwehrleute aus dem Erla-Hauptwerk.

Schon am 12. April 1945 hatte es Absprachen zwischen dem Leipziger Gestapo-Chef Fritz Anselmi, dem Polizeipräsidenten General-Major Wilhelm von Grolman und dem Personal-Chef der Erla-Werke Walter Wendt über die Auflösung des Lagers und die Beseitigung der kranken Häftlinge gegeben. Auch der Betriebsdirektor der Erla-Werke, Arno Fickert, war davon in Kenntnis gesetzt. Den Befehl zur Ermordung der KZ-Häftlinge unterschrieb SS-Obersturmführer Michaelis.

Fast alle Täter wurden bis 1947 durch US-amerikanische Behörden ermittelt und zur Fahndung ausgeschrieben. Dennoch wurden die Verfahren erst 1975 eingeleitet. Die Ermittlungen dauerten mit zeitlichen Unterbrechungen bis 1990 und wurden schließlich eingestellt. Nur Walter Wendt kam 1947 vor Gericht.

Walter Georg Wendt

* 1907 in Leipzig
† 1977 in Filderstadt (Baden-Württemberg)

SA-Oberscharführer, ab 1941 Leiter der Personalabteilung der Erla-Werke. Wendt war auch für den „Ausländereinsatz“ der Erla-Werke verantwortlich. 1947 wurde er während des Dachauer Buchenwaldprozesses zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde später in fünf Jahre Haft umgewandelt.

Erinnerungen ehemaliger Häftlinge

Paul Dominikiewicz (1910-1945)
"13. April – Freitag. Schicksalhaftes Datum. Ein Unglückstag. Schon zwei Jahre Internierung; Und ich versuche zu schreiben. Tatsächlich, wenn ich zurückblicke, finde ich, dass die Monate ganz schön schnell vergangen sind, obwohl mir die Tage, die Stunden so lang vorkamen. Zwei Jahre ist es her, seit man mich von den Meinen fortgerissen hat. Zwei Jahre Elend, zwei Jahre, in denen ich jegliche Freiheit verloren habe, in denen man mir jegliche Menschenwürde genommen hat, um mich zu einer Nummer zu machen. Wie viele haben es nicht geschafft und sind in den zwei Jahren auf der Strecke geblieben? Ich frage mich, was der Monat April noch für mich bereit hält. Vergangenes Jahr, am 18. April, wurde Henkel bombardiert und ich hätte dort fast Knochen gelassen. Ich bin nicht abergläubisch und hoffe, dass, um mit der Tradition der vergangenen beiden Jahre zu brechen, mir dieser April die Befreiung und alle Freuden, die damit einhergehen, bringen wird. Ich warte."

Paul Dominikiewicz wurde noch am 13. April 1945 mit vielen tausend weiteren Häftlingen auf den so genannten Todesmarsch geschickt. Am 7. Mai wurde er in Sadisdorf (bei Bad Schmiedeberg) von einem 17-jährigen SS-Anwärter erschossen.


Ryszard Jackowski (*1925 in Warschau)
"...Wir konnten durch die Ritzen genau das Aufleuchten der Geschosse sehen. Es ist uns klar geworden, dass das Lager jetzt endgültig liquidiert wird und wir vernichtet werden sollen. Die Insassen fingen an, laut zu schreien. Daraufhin fiel ein Feuerhagel von Maschinenwaffen auf uns herab. Es wurde von der Lagerseite auf die Baracke geschossen. Wir begannen die Pritschen auseinander zu brechen, um irgendeine Verteidigungswaffe zu haben und um hier herauszukommen. Die Türen und Fenster gingen von der einen Seite auf das Lager und die Deutschen heraus, auf der anderen Seite waren Fenster, die auf den Lagerzaun hinausgingen. [...] Auf dieser Seite der Baracke versuchte ich, durch das von jemandem eingeschlagene Fenster zu gelangen. Es war schwer heraus zu kriechen; von hinten schubste mich aber ein anderer Häftling einfach heraus. Ich fiel auf den Boden, bin aber gleich wieder aufgestanden. Eine Rauchwolke umgab mich, und ich ging direkt auf den Zaun zu. Ich hatte Holzschuhe an, die mir halfen, über den Zaun zu klettern. [...] Hinter dem Zaun war bereits ein Häftling, der mir beim Heruntersteigen behilflich war. Auf dieser Seite gab es keine Deutschen, da dichte Rauchwolken sich gebildet hatten. Plötzlich änderte sich die Windrichtung und wir wurden von den Deutschen bemerkt, die von der anderen Barackenseite aus auf uns das Feuer eröffneten. [...] Fast auf allen Vieren ist es mir gelungen, etwa 50 Meter zu kriechen. Ich war sehr schwach. Als ich mich umsah, stand die ganze Baracke in Rauch und Flammen; der Dachstuhl begann bereits zusammenzustürzen, und immer noch befanden sich Menschen in der Baracke. Ich sah Menschenkörper in gestreifter Kleidung an dem Drahtzaun hängen – offenbar waren es Häftlinge, die erschossen wurden oder so erschöpft waren, dass sie nicht mehr weiter kamen. Ich lief weiter..."

 

Pjotr Korschunkow

* 1919 in Stavropol (Sowjetunion)
† 2002 in Ust-Bargusin am Baikalsee (Russland)

Fotograf und Bildhauer, Soldat in der Roten Armee

Korschunkow kam 1942 bei Smolensk in deutsche Kriegsgefangenschaft, durchlief mehrere Lager und kam im Februar 1945 aus dem KZ Groß-Rosen in das KZ „Leipzig-Thekla“. Er überlebte das Massaker von Abtnaundorf und kehrte in die Sowjetunion zurück.

 

 

 

"Ich lag auf meiner Pritsche, als ich den Schrei "Wir brennen!" hörte. Gleichzeitig bemerkte ich den Geruch von Qualm und ging zum Fenster. In diesem Moment kam es zu einer Detonation und ich verlor das Bewusstsein. Als ich zu mir kam stand die Baracke in Flammen. Überall hörte ich Menschenschreie und Maschinengewehrsalven. Trotz meiner Verwundung und halb erstickt durch den Rauch, kroch ich zum Fenster, das durch die Detonation herausgeschlagen wurde. Vor dem Fenster bildete sich ein Berg aus sich bewegenden menschlichen Körpern, die nicht ins Freie gelangen konnten. Andere krochen über diesen Berg von entkräfteten und toten Menschen, in der Hoffnung herauszukommen. Über diesen Berg kroch auch ich. Jemand, der hinter mir kroch, hielt mich an den Beinen. Ich befreite mich und rutschte aus dem Fenster, das bereits in Flammen stand. Im schwarzen Rauch konnte man kaum die Umrisse von Menschen erkennen. Unter dem Kugelhagel unter dem Schutz der dunklen Rauchschwaden kroch ich zum Stacheldrahtzaun..."

Nachgeschichte und Erinnerung

Alle Zwangsarbeits- und Konzentrationslager der Erla-Werke wurden bis Ende Juni 1945 aufgelöst. Auf Anweisung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wurde die Erla-Maschinenwerke GmbH demontiert und am 27.08.1949 liquidiert. Das Werk I und einige der dort befindlichen Lager waren bereits durch Bombardements zerstört worden. Die Konzentrationslager sowie das Werk III in Abtnaundorf waren unzerstört.

Schon im Januar 1946 wurde an der Theklaer Straße provisorisch ein Denkmal errichtet, das an die Opfer des Massakers von Abtnaundorf erinnerte. 1957 wurde der Grundstein für das heutige Mahnmal gelegt, das sich etwas abseits des früheren KZ befindet. Die Gestaltung übernahm der Bad Lausicker Bildhauer Gustav Tschech-Löffler. Am 13. September 1958 wurde es feierlich eingeweiht und ist seitdem zentraler Schauplatz jährlicher Gedenkveranstaltungen an die Leipziger Opfer des Nationalsozialismus.

 

 

Weitere Informationen

Karl-Heinz Rother / Jelena Rother: Die Erla-Werke und das Massaker von Abtnaundorf, Leipzig 2013. Erhältlich über den Bund der Antifaschisten e. V. Leipzig, Zschochersche Straße 21, 04229 Leipzig, Tel. +49 (0)341 4934 731, bdaleipzig@web.de und in der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig.

Bericht der Untersuchungsgruppe der U.S.Armee für Kriegsverbrechen Nr. 6822 vom 1.5.1945, RG338, National Archives, USA.

Impressum

Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Telefon: +49 (0)341 235 2075
Email:  gedenkstaette [at] zwangsarbeit-in-leipzig [dot] de
Homepage: www.zwangsarbeit-in-leipzig.de

Konzeption, Bildauswahl, Texte: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, Jelena Rother, VVN-BdA Leipzig, Siedlerverein „Moränensiedlung Portitz“ e.V., Bürgerverein Nord-Ost

Redaktion: Jelena Rother, Anne Friebel

Herzlichen Dank an Dr. Johanna Sänger und Dr. Günter Schmidt für ihre Expertise sowie inhaltliche Unterstützung.

Leipzig, Januar 2017

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