Gedenkstätte Zwangsarbeit in Leipzig - Hintergrund

 

Was bildet diese Karte ab?

Die Karte bildet unseren aktuellen Stand der Forschungen (02/2024) zu Zwangsarbeitslagern im Raum Leipzig während des Zweiten Weltkriegs 1939-1945 ab. Sie zeigt mehr als 700 Unterkünfte und Lager von ausländischen Zwangsarbeiter:innen, die im städtischen Großraum in dieser Zeit im Einsatz waren.

Ein „Lager“ konnte ein typisches Barackenlager sein, aber auch ein umgenutzter Gasthof, eine Turnhalle, ein Dachboden oder Schuppen auf einem Fabrikgelände, eine private Unterkunft oder ein Kleingartenvereinshaus. Die Unterkünfte waren unterschiedlich groß – eine Markierung in der Karte kann für eine kleine Unterkunft von drei Zwangsarbeiter:innen, aber auch für ein Barackenlager mit 5.000 Personen stehen.

Die Karte ist nicht fertig und vermutlich nicht fehlerfrei. Sie wird fortlaufend mit neuen Forschungserkenntnissen ergänzt und erweitert.

Wofür stehen die verschiedenen Farben?

Die Farben markieren die verschiedenen Kategorien der Zwangsarbeiter:innen und ihrer Unterbringung.

  • Zivile Zwangsarbeiter:innen wurden durch das Arbeitsamt an ihren Einsatzort vermittelt und in verschieden großen Unterkünften und Lagern (gelb) untergebracht. Für die Unterbringung und Versorgung der Zivilarbeiter:innen waren die Arbeitgeber:innen zuständig.

  • Kriegsgefangene unterstanden der Wehrmacht und waren in Kriegsgefangenenlagern (lila) untergebracht.

  • Die KZ-Außenlager (blau) waren der Verwaltung des KZ Buchenwald und der SS unterstellt.

  • Arbeitsorte sind rot markiert.

  • Gedenk- und Erinnerungsorte sind pink markiert.

  • Sonstige Orte (z.B. Arbeitserziehungslager) sind grün markiert.

Woher kommen die Informationen?

Die Datengrundlage dieser Karte bilden Akten des Stadtarchivs Leipzig und insbesondere die Übersicht „Fremd- und Zwangsarbeit im Raum Leipzig 1939-1945“ (hrsg. von Thomas Fickenwirth, Birgit Horn und Christian Kurzweg, Leipziger Universitätsverlag, 2004). Darüber hinaus haben wir über mehrere Jahre in verschiedenen Archiven und anderen Quellen nach weiteren Informationen geforscht. Unsere Forschungserkenntnisse stammen aus Akten des Leipziger Stadtarchivs, des Sächsischen Staatsarchivs, des Sächsischen Wirtschaftsarchivs, der Arolsen Archives, aus Firmenarchiven, aus Dokumenten (z.B. Briefen oder Tagebüchern) ehemaliger Zwangsarbeiter:innen, aus Erinnerungen von Zeitzeug:innen, aus Forschungen und Sammlungen von Heimat- und Geschichtsvereinen, von Ortschronist:innen, Studierenden, Historiker:innen und anderen Gedenkstätten.

An dieser Stelle möchten wir uns bei allen Beteiligten sehr herzlich bedanken, die das Rechercheprojekt in den vergangenen Jahren unterstützt und mit ihrer Expertise bereichert haben.

Warum gibt es zu manchen Orten keine Informationen?

Nicht zu allen Lagern, die in Leipzig bestanden, sind Dokumente und Informationen erhalten geblieben. Der Stadtplan ist daher unvollständig und zeigt nur die bekannten Lagerstandorte nach unserem heutigen Wissensstand. Durch die bruchstückhafte Überlieferung lässt sich bei einzelnen Lagern zudem der genaue Standort nicht mehr bestimmen oder der früheren Hausnummer eindeutig zuordnen. In solchen Fällen wurde der Standort näherungsweise bestimmt und in der Karte die vage Ortsbestimmung vermerkt.

Mehr als 30 Lager, die in unterschiedlichen Akten auftauchen, konnten wir bisher überhaupt nicht lokalisieren. Sie sind daher nicht auf der Karte verzeichnet.

Was bildet die Karte nicht ab?

Die Karte zeigt alle bekannten Lagerstandorte im Zeitraum 1939-1945. Die Lager wurden zu unterschiedlichen Zeiten eingerichtet oder wieder aufgelöst und haben nicht alle gleichzeitig existiert. Der zeitliche Verlauf ist auf dieser Karte jedoch nicht sichtbar.

Die Karte rückt die Lagerstandorte in den Fokus. Die Arbeitsorte der Zwangsarbeiter:innen sind größtenteils nicht markiert: Rüstungsfabriken, Handwerksbetriebe, städtische Eigenbetriebe oder öffentliche Einrichtungen. In den Detailinformationen zu den einzelnen Lagern sind sie aber als „Träger“ genannt.

Der Zwangsarbeitseinsatz im Leipziger Umland, insbesondere in der Landwirtschaft, wird auf dieser Karte nur lückenhaft abgebildet. Auch der Einsatz von „hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen“ in Leipziger Privathaushalten bleibt unsichtbar, da dazu bisher nur wenig Forschungserkenntnisse vorliegen. Nicht markiert sind außerdem die meisten Privatunterkünfte von Zwangsarbeiter:innen aus Westeuropa.

So what?!

Die Karte verdeutlicht den Charakter von NS-Zwangsarbeit als Massen- und Alltagsphänomen. In der Kriegswirtschaft wurden Zwangsarbeiter:innen in fast allen Arbeitsbereichen eingesetzt, und ihre Unterkünfte verteilten sich über das gesamte Stadtgebiet. Viele der Lager befanden sich in direkter Nachbarschaft zu den Wohnquartieren der deutschen Bevölkerung. Diese Alltagsnähe zeigt sich nicht nur räumlich an den Standorten der Lager, sondern lässt sich vor allem an der Umnutzung von Turnhallen, Schulen, Gaststätten und Vereinsheimen als Lagerunterkünfte ablesen. Kontakte zwischen Zwangsarbeiter:innen und Deutschen waren zwar verboten, aber aufgrund der räumlichen Dichte unvermeidbar und auch keine Seltenheit. Zwangsarbeit war ein sichtbares und öffentliches Verbrechen.

Ideen zur Nutzung der Karte in der pädagogischen Vermittlungsarbeit finden Sie hier.

Was tun, wenn ich ergänzende oder neue Informationen habe?

Wenn Sie ergänzende Informationen zu bestimmten Lagern oder Hinweise auf noch nicht verzeichnete Lager haben, freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme per Email an karte@zwangsarbeit-in-leipzig.de

nach oben totop