Gedenkstätte Zwangsarbeit in Leipzig - Anna und Estera Kurz

Anna Kurz (1912-2013) und Estera Kurz (*1945)

Anna Kurz wurde 1912 im polnischen Biecz im Distrikt Krakau geboren. Sie besuchte die Mittelschule und wurde Schneiderin. 1939 heiratete sie Abraham Kurz, den sie bereits seit ihrer Jugend kannte, ein Jahr später kam ihr Sohn zur Welt.

Nach der Besetzung der Kleinstadt Biecz durch die Wehrmacht wurde die örtliche jüdische Bevölkerung zur Zwangsarbeit rekrutiert, systematisch terrorisiert und am Verlassen der Stadt gehindert. Im Frühjahr 1942 schließlich wurde ein geschlossenes Ghetto eingerichtet, in das auch die Familie Kurz umziehen musste. Nach der Auflösung des Ghettos wurde die Familie über verschiedene Zwangsarbeitslager im November 1943 schließlich nach Skarżysko-Kamienna gebracht. Ihr dreijähriger Sohn wurde vor dem Abtransport getötet.

Anna und Abraham Kurz mussten in Skarżysko-Kamienna Zwangsarbeit für die Leipziger Rüstungsfirma HASAG verrichten, die die dortigen Munitionsfabriken 1939 übernommen hatte. Die Bedingungen im Werk C waren entsetzlich, die Lebenserwartung niedrig. Etwa zwei Drittel der mehr als 20.000 jüdischen Sklavenarbeiter:innen kamen dort durch Krankheiten, Hunger, Gewalt und Selektionen sowie die tödlichen Arbeitsbedingungen ums Leben.

Als die Rote Armee im Sommer 1944 Richtung Generalgouvernement vorrückte, löste die HASAG die Fabriken und Lager auf. Die hauptsächlich jüdischen Zwangsarbeiter:innen ließ sie ins Reich deportieren, wo sie nun den Status von KZ-Häftlingen erhielten und dem Hauptlager Buchenwald unterstanden. Anna und Abraham Kurz wurden getrennt – er kam in das KZ-Außenlager Schlieben, sie in das KZ der HASAG nach Leipzig. Dass sie schwanger war, wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Dass Anna Kurz überhaupt schwanger wurde, gleicht einem Wunder. Sie selbst bemerkte die Schwangerschaft erst Monate später.

Als das KZ „HASAG Leipzig“ in den Morgenstunden des 13. April 1945 aufgelöst und die Häftlinge auf einen Todesmarsch getrieben wurden, blieb Anna Kurz mit den Kranken und den Häftlingsärztinnen zurück. Wenige Stunden später brachte sie ihre Tochter Estera zur Welt. Die Frauen waren sich selbst überlassen, plünderten die SS-Vorratskammern und Kleiderschränke und warteten auf die Ankunft der US-amerikanischen Befreier.

Diese erreichten am 19. April das Lager und verlegten die Kranken sofort in verschiedene Leipziger Krankenhäuser. Die Tuberkulosekranken kamen nach Leipzig-Dösen, und Anna und Estera Kurz in eine „Frauenklinik“, vermutlich im „Ausländerkrankenhaus“ in der Torgauer Straße. Dort hatte die US-amerikanische Militärregierung eine ehemalige Flak-Kaserne als Hilfskrankenhaus umfunktioniert, in dem viele befreite Zwangsarbeiter:innen medizinisch versorgt wurden.

Im Juni 1945 konnten Anna und Estera Kurz mit Unterstützung durch das Rote Kreuz in die Schweiz ausreisen. Abraham Kurz kam ein Jahr später nach. In der Schweiz hielt sich die Familie mit Hilfarbeiten über Wasser und konnte schließlich im Januar 1951 in die USA emigrieren.

Estera Kurz heiratete 1967 den Psychiater David Weiser und hieß von nun an Estare Weiser. Sie studierte Geschichte und Jüdische Studien und war Lehrerin und Künstlerin. Mit ihrem Mann David lebt sie in New York und hat zwei Söhne und vier Enkelkinder.

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